Goetheanismus und Medizin – Auf der Suche nach dem verlorenen Kontext

|   Heilpflanzen, Präparateforschung

Ruth Richter

Was ist der Beitrag des Goetheanismus für die Zukunft der Medizin? Aus dieser Frage – an der Schnittstelle zwischen medizinischer und naturwissenschaftlicher Sektion – ist ein gemeinsames Projekt entstanden: Die Herausgabe von Beiträgen goetheanistischer Forscher, die sich dieser Frage gestellt haben. Die Autoren entstammen zwei Generationen: Wissenschaftler, die auf den Wegen von Goethes Methode ganz individuelle Ansätze herausgearbeitet haben, und ihre Schüler, die zunehmend mehr mit der modernen Naturwissenschaft in Dialog treten.

Ein gemeinsamer Tenor eint die unterschiedlichen Perspektiven: Die goetheanistische Methode bildet neben einer ästhetischen Kompetenz ein Denken aus, das Zusammenhänge schafft – als Ergänzung zu einer analytischen Wissenschaftshaltung, die trotz einer Fülle wertvoller Einzelergebnisse den Bezug zur komplexen Lebenswirklichkeit weitgehend verloren hat.

Der Spannungsbogen reicht von der grundlegenden, bewusst zu greifenden Verbindung von Wahrnehmung und Begriff im Beitrag von Peter Heusser bis zu der fruchtbaren Wirkung, die ein an den Phänomenen abgelesenes Konzept wie «Polarität» in der Entwicklung der Wissenschaft entfalten kann – reich mit Beispielen bebildert vom Wissenschaftshistoriker Olaf Müller. Dazwischen erleben die Lesenden mit Armin Husemann einen beispielhaften Blick auf den goetheschen Typus, eine differenzierte Entfaltung des Begriffs «Goetheanismus» durch Wolfgang Schad und bei Jochen Bockemühl über verschiedene Wahrnehmungsarten einen Weg zum inneren Schauen. Die

methodische Anwendung des Elementebegriffs und die konzeptuelle Bedeutung des Goetheanismus in Genetik und Anthropologie sind weitere Themen – es können hier nicht alle Autoren genannt werden. Wer neugierig geworden ist, mag sich das Buch anschauen. Es ist im Februar 2022 im Verlag am Goetheanum erschienen und will zu einem Diskurs anregen, der neben fachspezifischen Inhalten auch die ethische Seite naturwissenschaftlicher Erkenntnisbildung thematisiert.

 

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