Hortus officinarum – Züchtung einer welketoleranten Johanniskrautsorte für den Bioanbau

|   Heilpflanzen, Präparateforschung

Ruth Richter

Mit steigender Nachfrage und vermehrtem Anbau von Johanniskraut (Hypericum perforatum) hat seit den 90er Jahren in Europa der Befall mit Johanniskrautwelke (Colletotrichum cf. gloeosporioides) stark zugenommen. Bei den Anbauern besteht grosses Interesse an toleranten Sorten, die sich für den Bio-Anbau eignen. Diese Nachfrage war für Hortus offinarum der Anlass, bei der Sichtung von 69 Akzessionen von Hypericum perforatum aus der schweizerischen Genbank Ausgangsmaterial für die Züchtung einer welketoleranten Sorte unter biodynamischen Bedingungen auszuwählen.

Das Züchtungsprojekt wurde 2019–2022 in Zusammenarbeit mit Sativa Rheinau und der Wala-Gärtnerei in Eckwälden durchgeführt. Ziel war, aus widerstandsfähigen Linien 1–2 Sorten zu ziehen, die sich im biologischen Anbau bewähren. Weitere Züchtungsziele waren agronomische und morphologische Eigenschaften wie Standfestigkeit, homogene Bestandesentwicklung mit einheitlicher Höhe, ein gedrängter Blühhorizont und eine frühe und einheitliche Blüte des Bestandes. Pharmazeutische Anforde- rungen sind ein hoher Blütenanteil und ein Mindestgehalt an Hypericin.

Die besonderen Fortpflanzungsverhältnisse bei Hypericum perforatum mit einer vernachlässigbaren Fremdbestäubungsrate ermöglichten eine einfache Vermehrung von besonders welketoleranten Einzelpflanzen ohne Bestäuberschutz. 2019 wurden an den drei Standorten 26 vergleichsweise welketolerante Varianten im Vergleich mit zwei welketoleranten Referenzsorten angebaut. Dank starken Welkebefalls an allen Standorten zeigten grosse Befallsunterschiede zwischen den Parzellen bei relativ homogenem Verhalten innerhalb der Parzelle, dass die Welketoleranz deutlich genetisch beeinflusst ist (links). Wir konnten rigoros selektieren.

2020 wurden 13, 2021 noch 11 verschiedene Linien gepflanzt und bonitiert. Im Sommer 2022 wurde für uns klar, dass in Zukunft vermehrt mit Starkregenereignissen zu rechnen ist. Wir haben daher den Parameter «Standfestigkeit» doppelt gewichtet.

Die Auswertung der Bonituren jeweils aus dem ersten und zweiten Anbaujahr ergab 2022 vier Sortenanwärter für den Probeanbau auf verschiedenen Betrieben: Je zwei Züchtungslinien von zwei unterschiedlichen Wuchstypen – ein feinstängeliger Typ, der im ersten Jahr bei eher kriechendem Wuchs mit guter Bodendeckung schnell Beikräuter unterdrückt und sich erst im zweiten Jahr aufrichtet, und ein von Anfang an stramm aufrecht wachsender Typ mit schmalem Blühhorizont, der sich gut für die maschinelle Ernte eignet (rechts).

Die Analyse von vier Züchtungslinien auf den Hypericingehalt hat im Vergleich mit zwei Referenzsorten mittlere bis sehr gute Ergebnisse gebracht. Beim Welkebefall haben unsere favorisierten Züchtungslinien in diesem Jahr erfreulicherweise an allen Standorten gut abgeschnitten, der Befall lag zwischen 0 und 17 %. Wir sind gespannt, wie sich unsere Züchtungslinien im grösseren Anbau bewähren.

Stramm aufrecht wachsender Johanniskrauttyp in der Hauptblüte.
Foto Anfang August. Die Unterschiede in der Welkeanfälligkeit zwischen den genetisch unterschiedlichen Varianten sind deutlich zu erkennen.
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