Ein Thema mit Variationen

|   Botanik, Ökologie, Landschaft

Johannes Wirz

Mein Arbeitsalltag im Forschungsinstitut ist seit Jahren geprägt von Projekten, (zu) vielen Seminaren, vielen Schreibarbeiten und Verwaltungskram. Doch er gleicht einer schönen Komposition mit Thema und allerlei Variationen. Über ein paar ganz neue möchte ich berichten.

Forschung

Unerwartet wurde aus einem Beratungsauftrag ein Projekt. Nach mehr als 20 Jahren imkerlicher Praxis betreue ich seit dem Frühling 2019 auch Waldbienenvölker in bis zu sieben Metern Höhe. Zusammen mit dem Leiter des Forstbetriebs Dorneckberg, Roger Zimmermann, möchten wir herausfinden, ob und wie Völker in nahezu natürlicher Umgebung leben und überleben. Jeder Besuch ist ein Abenteuer – an schlechten Tagen auf der wackeligen Leiter eher ein Albtraum, an guten Tagen begleitet vom Glücksgefühl, mit den Ursprüngen der Beziehung von Mensch und Bienen unmittelbar verbunden zu sein. Ich bin froh über meine lange Erfahrung. In den Baumhöhlen können für die Inspektion keine Waben entnommen werden. Ich lerne am Verhalten der Bienen das Wohlergehen der Völker abzuschätzen und lese an den Wabenrändern die Gesundheit ab. Ein ernüchterndes Ergebnis hat das extreme Bienenjahr 2019 hervorgebracht: Ohne Fütterung wären alle neugebildeten Völker bereits im Sommer elend verhungert.

Kurs in Riga

Im August war ich für eine Konferenz bei anthroposophischen Freunden in der Nähe von Riga. Neben einem Workshop über die heilend-heiligen Bienensubstanzen mit praktischen Anleitungen zur Herstellung einer Propolistinktur und der Grundlage für das von vielen geschätzte Apis-Präparat erzählte ich über «Das Land wo Milch und Honig fliessen». Beinahe magisch hatte es mich bei der Vorbereitung zum «Schmetterlingszyklus» gezogen. Viele von uns kennen das Phänomen: Da liest man einen Zyklus unzählige Male und entdeckt plötzlich unerwartet eine Besonderheit, die einem jahrelang entgangen war. Die Vorträge sind wie Lebewesen und ihr Inhalt wächst im Innern des Lesers, indem er sich selber entwickelt.

Ich vertiefte mich in die spirituelle Bedeutung der Kuh, der Vögel, der Bienen und anderer bestäubender Insekten, die nach Rudolf Steiner eine Aufgabe übernommen haben: Irdisches in den Kosmos zurückzutragen! Eigentlich hätte der Mensch sie übernehmen müssen, aber er war dazu nicht in der Lage.

Im Studium wurde mir unmittelbar klar: Mit diesen Vorträgen hatte Steiner ein Jahr vorher esoterisch dargestellt, was er an Pfingsten 1924 im landwirtschaftlichen Kurs in Koberwitz über diese Tiere exoterisch ausführte. Ob mein Verständnis in allen Punkten richtig ist, sei dahingestellt. Doch die Gewissheit, mit der sich mir die innere Verwandtschaft der beiden Vortragszyklen offenbarte, ist «solid rock hard».

Schreiben

Ich bin nicht nur in Dornach tätig, sondern arbeite auch an der Fischermühle in Rosenfeld für Mellifera e.V. Dort habe ich im letzten Arbeitsjahr eine Aufgabe übernommen, die in der Vergangenheit von den Kollegen abgelehnt worden war. Zusammen mit Norbert Poeplau (als sachkundigem Lektor) habe ich angefangen für 2020 zwölf Monatsbetrachtungen für die grösste Bienenfachzeitschrift in Deutschland «bienen & natur» zu schreiben. Das Thema ist eine meiner Lebens- und Lieblingsbeschäftigungen: Die wesensgemässe Bienenhaltung.

Ich wurde gewarnt, dass ich mich einem Shitstorm aussetzen würde; aber wann bekommt man je wieder die Gelegenheit die biodynamische Bienenhaltung in die Breite der konventionellen Imkerschaft zu tragen? Ich halte es mit dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert...

Die Zusammenarbeit mit der Redakteurin ist extrem zeitaufwändig, weil sie ohne ein Quäntchen Anthroposophie an unsere Texte herangeht. Der erste Beitrag mit einer wunderschönen Wandtafelzeichnung von Rudolf Steiner und einem ziemlich unbekannten Foto des Richtfestes des ersten Goetheanums ist im Januar 2020 erschienen. Die Redakteurin will nicht nur beginnen, selber nach den Richtlinien der Demeter Bienenhaltung zu imkern, sondern hat sich sogar zum Winterseminar für wesensgemässe Bienenhaltung an der Fischermühle angemeldet.

Klotzbeute
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