Bereitschaftspotential (BP) und intentionaler Bewegungsbezug

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Carolin Schürer, Tiffany Huber, Siegward M. Elsas & Matthias Rang

Das Projekt zu Gehirnphysiologie und Willensfreiheit konnte dank erneuter Unterstützung durch die Mahle-Stiftung, den Rudolf Steiner Fonds und die Dr. Hauschka Stiftung weitergeführt und abgeschlossen werden. Die Publikation in «Frontiers of Neuroscience» ist bald bereit zum Einreichen.

Die statistische Analyse der EEG-Daten zum Bereitschaftspotential (BP) wurde mit Hilfe eines sog. «Gemischten Modells» erfolgreich durchgeführt. Dieses Verfahren (Laird & Ware, 1982) ist auf das Problem zugeschnitten, welches in Studien im Umgang mit verschiedenen Probanden häufig auftritt: Die Veränderung einer Grösse wird über die Zeit beobachtet und dies geschieht wiederholte Male für jeden Probanden. Besonders einflussreich und gleichzeitig schwer zu objektivieren ist die individuelle Beschaffenheit der Probanden und ihre individuelle Durchführung der Aufgaben. Dieser subjektive Faktor wird als «zufälliger Effekt» mit einberechnet, sodass die inter-subjektiven «eigentlichen Effekte», nach denen im experimentellen Aufbau gefragt wird, sichtbarer werden. Auf diese Weise steht die individuelle Verschiedenheit der Frage nach der Signifikanz inter-subjektiver Effekte nicht mehr im Wege.

Die Ergebnisse der statistischen Analyse zeigen, dass sich die Unterschiede der Versuchsvarianten (siehe Jahresbericht 2020) erst weniger als 250 Millisekunden (ms) vor dem subjektiv angegebenen Entscheidungszeitpunkt als signifikant erweisen, d.h. viel später als der Beginn des BP-Anstiegs. Das spricht dafür, dass alles, was früher stattfindet, einen allgemein vorbereitenden Charakter hat.

Als Methode zur Interpretation der Ergebnisse in Bezug auf das mentale Korrelat des BP, wurden die verschiedenen BP-Varianten in einer morphologischen Reihe angeordnet. Darin hat sich der «intentionale Bewegungsbezug» als ausschlaggebender Faktor für die Form des Bereitschaftspotentials ergeben (auch eine vorgestellte Bewegung hat Bewegungsbezug). Je stärker dieser Bewegungsbezug, umso ausgeprägter das BP.

Wenn auch der Libet-Versuch durch die Frage nach Freiheit und Bewusstsein motiviert war, so legen unsere Ergebnisse nahe, dass der intentionale Bewegungsbezug das wesentliche Element für das Entstehen eines BPs ist. Doch wie entsteht überhaupt ein intentionaler Bewegungsimpuls in uns? Diese Frage wird von Rudolf Steiner in «Anthroposophie, ein Fragment» als ein mit dem Astralleib zusammenhängendes Phänomen erklärt. Die Impulse zur Bewegung sind demnach im menschlichen Innenleben zu suchen, und zwar keineswegs immer als Antriebe des «Ich-Menschen», sondern instinktiv, eher als Impulse des «astralischen Menschen». Dabei findet ein Vorgang statt, welcher mit einer Bildempfindung beginnt, sich nach einem Urteil des «Ich-Menschen» in einer Begehrung wirksam erweist und dann in der Bewegung weiterlebt. Genau diese Vorgänge von Bildempfindung und Begehrung bilden sich unseren Beobachtungen nach im langsam ansteigenden BP ab; dagegen zeigt sich eine neuronale Auswirkung der entstehenden Entscheidung des «Ich-Menschen» – für oder gegen eine tatsächliche Bewegung – erst in den letzten 250 ms vor dem angegebenen Zeitpunkt der Entscheidung.

Bereitschaftspotenziale aus verschiedenen Versuchsvarianten gemittelt über mehrere Probanden. Die vertikale Linie zum Zeitpunkt 0 markiert den Augenblick, den die Probanden als Moment der Entscheidung angegeben haben.
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